Der vierte August Tag der Schwestern
Heute ist „Tag der Schwestern“, vielleicht wäre das heute ein schöner Anlass mal kurz anzurufen, statt nur ein niedliches Icon via WhatsApp?
Natürlich gibt es auch Schwestern, wo dies heute nicht mehr möglich ist, weil man sich heillos zerstritten oder gänzlich voneinander entfernt hat, oder weil man sich gar nichts mehr bspw. nach einem Erbfall zu sagen hat. Doch diese wollen wir heute hier mal außer Acht lassen.
Heute erinnere ich mich an meine verstorbene Schwester Sybil. Sie war das Sandwich-Kind – einklemmt zwischen unserem großen Bruder und mir, der Nachzüglerin, und musste stets alles ausbalancieren. Leicht hatte sie also nicht. Sechs Jahre älter war sie, das ist schon ein nennenswerter Unterschied. War ich sechs, war sie 12, war ich zwölf war sie 18 Jahre alt. Na ja, dass ging ja noch. Mein Bruder ist 11 Jahre älter. 😀 So gesehen, waren wir eigentlich wie drei Einzelkinder.
Ich denke, ich würde mich heute als die kleine, nervige Schwester einstufen, die stets um Spielzeit bettelte, die sich verdrückte, wenn es um Hausarbeit ging und sich gern darauf ausruhte, dass die Große es ja schon machen würde. Ich muss heute noch lachen, wie hart unsere Kämpfe waren. Einmal verweigerte ich mit sieben Jahren komplett, den Mülleimer auszuleeren. Ich wollte lesen. Sie mahnte bis ihr der Geduldsfaden riss, und sie mich in einem wahrhaft heiligen Zorn an den Haaren – mitsamt dem Mülleimer – die zwei Stockwerke runterzog.
Der Treppenwitz im wahrsten Sinne des Wortes ist:
Meiner Schwester habe ich meine Liebe zum Lesen und zum Buch zu verdanken. Wie es dazu kam, erzähle ich hier gern. Als ich die erste Klasse hinter mir hatte, konnte ich nicht lesen. Ich kannte die Buchstaben, aber einzelne Buchstaben zusammenzuziehen, um daraus ein Wort zu bilden – dazu war ich zu zappelig. Wir wohnten in Darmstadt, die eine ausgezeichnete Kinder- und Jugendbuchbibliothek hatte (und wahrscheinlich noch hat) und ich lief gern immer mit meiner Schwester die zwanzig Minuten dorthin, kuckte mir die vielen Bilderbücher an, lieh auch einige aus und dann schlenderten wir wieder nach Hause. Nun konnte ich einmal nicht mit und bat sie, mir einige Bilderbücher mitzubringen – und was tat sie? Sie brachte mir ein richtiges Buch. Mannomann war ich enttäuscht, aber sie war sehr clever und kannte mich gut. So hat sie dieses Buch klug gewählt. Es musste von der ersten Seite an spannend sein – sie wusste, ich war sehr, sehr neugierig, Abenteuer sollten drin vorkommen und etwas mit Tieren. Sie hat also die ganze Klaviatur meiner Vorlieben in einem Buch über eine kleine Maus gefunden und mir dann die erste Seite vorgelesen, umgeblättert und dann mitten im Satz aufgehört. Ich war enttäuscht, weil diese seltene geschwisterliche Aufmerksamkeit so schnell vorbei war und verzog mich schmollend. Nach einer Weile dachte ich wieder an die Geschichte und wollte wissen, wie die Story weiter geht. Die Motivation war höher, als die Mühsal des Buchstabenzusammenziehens. Nach diesem Buch war der Damm gebrochen und ich wurde zu einem richtigen Bücherwurm.
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