Die sprechenden Grabsteine von Amrum sind Biografien

Alle diese spechenden Grabsteine von Amrum sind Biografien, sie stehen unter Denkmalschutz und gehören zu den bedeutesten Kulturgütern auf Amrum. Der jüngste ist von 1858 sodass wir heute nach genau 160 Jahren Auskunft über Beruf, Lebensauffassung, Rang und Familie der Bestatteten erhalten. Der bekannteste Grabstein der des Seefahrers Hark Olufs. Auch hat er noch zu Lebzeiten seine mehr als schillernde Autobiografie verfasst. 

Hark Olufs wurde am 17. oder 19. Juli 1708 in Süddorf auf Amrum geboren. 1721 wurde Hark Olufs Matrose auf der Hoffnung, einem der Schiffe seines Vaters.

1724 wurde sein Schiff auf dem Weg von Nantes nach Hamburg von algerischen Kaperern aufgebracht. Er wurde mit der Besatzung nach Algier verschleppt. Leider konnte die Familie die hohe Summe, die für den Freikauf Hark Olufs’ von den Sklavenhändlern gefordert wurde, nicht aufbringen. Amrum gehörte damals zu Dänemark und da das Schiff unter Hamburger Flagge fuhr, wurde auch ein Kredit aus dem Sklavenetat des dänischen Königreiches nach Anfrage der Familie in Kopenhagen abgelehnt.

Olufs wurde daraufhin auf dem Sklavenmarkt in Algier als Sklave verkauft. In schneller Folge wurde Lakai des Beys von Constantine, dann Gasnadal (Schatzmeister) und 1728 wurde er zum Kommandeur der Leibgarde ernannt. 1732 wurde er Agha ed-Deira (Oberbefehlshaber) der Kavallerie. Dieser Aufstieg war vermutlich nur dadurch möglich, dass er zum Islam übertrat (auch wenn er dies selbst später immer bestritt). Dennoch, mit seinem Bey nahm er an einer Pilgerfahrt nach Mekka teil.

1735 nahm er an der Eroberung von Tunis durch die algerische Armee teil. Zum Dank wurde er am 31. Oktober 1735 freigelassen und kehrte nach Amrum zurück, wo er heiratete und eine Familie gründete. Vermutlich 1742 wurde er vom dänischen König Christian VI. empfangen, dem er seine Geschichte erzählte. 1747 publizierte er in dänischer Sprache eine Autobiografie, die 1751 ins Deutsche übersetzt wurde. Hark Olufs starb am 13. Oktober 1754 in Süddorf auf Amrum. Sein Grabstein enthält eine Kurzbiographie und steht noch heute auf dem Friedhof an der St.-Clemens-Kirche in Nebel auf Amrum.

So steht auf der Rückseite des Grabsteins folgender Text:

Fast wie eine Überschrift liest man:
„Gott gebe dem Leibe eine fröliche Auferstehung am jüngsten Tage.

dann geht es weiter mit:
An den Meinigen ruff ich aus dem Grabe noch diese Zeilen zum Andencken zurück:
Ach leider: In meinen jungen Jahren
Müst ich zum Raub der Algierer fahren
Und halten fast zwölff Jahr die Slaverey.
Doch machte Gott durch seine Hand mich frey.
Darüm sage ich noch einmal:
Ich weis, mein Gott, ich muß nun sterben.
Ich will, eins aber bitt ich aus.
Las doch die Meinigen nicht verderben.
Bewahre du das Witwenhaus.
Ach Gott, weil ich nicht sorgen kan,
so nim dich Frau und Kinder an.” 

Nichts anderes versuchen wir auch mit der Kleinen Chronik nur eben etwas moderner.

Quelle Textauszüge und Bildmaterial Wikipedia: CreativCommons
https://de.wikipedia.org/wiki/Sprechende_Grabsteine_(Amrum) und
https://de.wikipedia.org/wiki/Sprechende_Grabsteine_(F%C3%B6hr)

 

 

 

Petra Schaberger

About Petra Schaberger

Petra Schaberger ist Mediengestalterin und Autorin. Mit ihrem Mann leitet sie Quintessenz – die Manufaktur für Chroniken. Sie betreut Die Kleine Chronik, den Blog Q5 und Buchprojekte im Q5 Verlag. Auf XING moderiert sie die Gruppe “Bestattungskultur”. Petra Schaberger lebt mit ihrem Mann in Heppenheim.

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