Die Leichenbrüderschaft Elgershausen
Das nordhessische Elgershausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Schauenburg im Naturpark Habichtswald an der Bauna. Dort wohnt Constanze Junker, eine unserer Autoren von Quintessenz.
Sie erzählte mir von einem Brauch der „Leichenbruderschaft Elgershausen“, und hätte ich sie zufällig Pfingsten besucht, so hätte ich mich doch sehr gewundert. Pfingsten feiert der Ort das traditionelle Heimat- und Schützenfest der Leichenbrüderschaft und am Pfingstsonntag sieht man am Nachmittag viele Menschen an den Straßen und einen Pfingstumzug, der mir teilweise wie eine Mischung aus Fasching, Halloween und mexikanischem Totensonntag vorgekommen wäre. Sie wissen schon, in Mexiko, wo die Angehörigen mit Essen und Trinken zu den Gräbern der
Verstorbenen ziehen und ein fröhliches Fest veranstalten.
In Nordhessen hingegen zogen mit Traktoren gezogene Umzugswagen vorbei, Reiter, Musketiere, Tigerenten und Handkarren, radschlagende Jugendliche, Blasorchester und und und … Vereine, Familien waren nach Themen kostümiert, unter anderem wie zum Karneval oder zu Halloween. Am Rand standen begeisterte Besucher, die dann auch „bewirtet“ wurden: Mit Schnucke für die Kinder (nordhessisch für Süßigkeiten), Kuchen und Limonade, Bier etc..
Frau Junker erzählte mir, wie viele Stunden Arbeit die Gruppen alljährlich in diesen Umzug stecken, von Material und Geld ganz zu schweigen. In diesem Jahr nahmen 33 Vereine, Gemeinschaften und Unternehmen daran teil. Jedes Jahr denken sich die Teilnehmer ein anderes Thema aus, ab Herbst wird gebaut und gebastelt, denn für die Vereine und Gemeinschaften gibt es einen kleinen Wettbewerb, den eine eigens berufene Jury wertet. Diese Vielfalt macht den Festzug für die Besucher jedes Jahr erneut interessant und bunt.
Kaum zu glauben und sehr erstaunliche ist auch, dass dieser Ausnahmezustand am Pfingstsonntag in Elgershausen seinen Ursprung im Jahr 1620 hat und der Brauch Jahrhunderte überdauerte. Kriege und Notzeiten waren kurze Unterbrechungen, dann setzte die Leichenbruderschaft Elgershausen den jährlichen Festzug fort.
Vor 396 Jahren war die Not unter der Bevölkerung des Landgrafen Moritz (dem Gelehrten) groß, ja so groß, dass die Bevölkerung ihre Toten nur in Stroh umwickelt beerdigten, da kein Geld für einen Sarg da war. Der Landgraf besaß im Ort einen Zwinger für seine Jadghunde, die Bracken, und erfuhr bei einem Jagdaufenthalt davon. Er veranlasste daraufhin die Gründung einer „Leichenbrüderschaft“.
Er gab damals 100 Taler als Stiftungskapital und im Sterbefall eines Bruderschaftlers musste jedes Mitglied einen Groschen geben, damit für den Verstorbenen ein Sarg gekauft werden konnte. Das wurde in dieser Form bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts beibehalten. Es gibt Aufzeichnungen, dass ein “ Leichenbesteller“ gewählt war, der den Auftrag hatte, den Groschen bei allen einzusammeln. Einen monatlichen Beitrag gab es erst nach 1860.
Und was hat das jetzt mit dem Umzug zu tun? Landgraf Moritz stiftete damals auch noch eine Fahne und eine Trommel, die man am Stiftungstag jedes Jahr beim Schützenfest herausholte und durch das Dorf trug. So ist dieser Umzug heute noch eine stark abgewandelte Form, den Landgrafen zu ehren. Und eines ist sicher: Im Jahr 2020 jährt sich die Gründung der Leichenbrüderschaft Elgershausen zum 400.sten Mal – bis dahin wird es noch drei „normale“ Festzüge geben, aber für das große Ereignis wird jetzt schon gespart 🙂
<https://de.wikipedia.org/wiki/Naturpark_Habichtswald>
<https://de.wikipedia.org/wiki/Bauna>
Neueste Kommentare