Gedanken über den Wandel der Bestattungskultur
von Petra Schaberger
Dem aufmerksamen Betrachter fallen heute beim Gang über den Friedhof die vielen aufgelösten Grabstellen auf. Die Lücken zwischen den Grabreihen nehmen zu und werden auch lange nicht mehr belegt.
Der Friedhof, ob kirchlich oder städtisch, verliert als zentraler Trauerort der dortigen Kirchengemeinde oder der Bürgergemeinschaft an Bedeutung. Im 19. Jahrhunderts verwies noch die individuelle Grabgestaltung auf die Einzigartigkeit des Menschen hin, auch über dessen Tod hinaus. Man löste sich aber auch hier schon vom rein religiösen Aspekt – es scheint, dass viele dachten, dass im Tod einige Menschen „gleicher“ seien. Ein weiterer Aspekt ist, dass durch jahrzehntelanges Festhalten an Friedhofsbestimmungen viele Gräber immer nichtssagender wurden. Steinmetze die heute mit der Zeit gehen, und die ganz auf Kundenwünsche eingehen, sind selten. Es gibt dennoch Ausnahmen.
Das Menschenbild ist ebenfalls im Wandel, denn wenn mancher Friedhof wie eine Reihenhaussiedlung wirkt, dann liegt es auch auf der Hand, dass es immer weniger Menschen reizt, Grabstätten belegen zu lassen, zudem, wenn in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft der religiöse Aspekt fehlt. Ich bin überzeugt, dass weniger Regulierungen auch die Steinmetze einladen sich auf einen individuellen Entwurf, speziell zugeschnitten auf den Verstorbenen, einzulassen.
Ein schönes Beispiel für übertriebene Regulierungen aus jüngster Vergangenheit ist der Stein des verstorbenen Kabarettisten Dieter Hildebrand. Der alte Grabstein des Familiengrabes war verwittert, ein neuer musste her. Seine Witwe hatte sich einen neuen Marmorstein ausgesucht, der Ecken und Kanten wie ihr Gatte hatte. Sie fand, dieser Stein – das ist Dieter! Doch so ursprünglich und kantig wie der Gatte war der Friedhofsordnung dann doch zu arg. Die unbearbeitete Rückseite war zu sehen, was in München nicht sein darf. Außerdem hatte er kein Relief. Natürlich wurde da von einem Steinmetz nachgearbeitet und ich bin mir sicher, dass diese Steilvorlage Dieter Hildebrand zu wunderbaren Sätzen über Friedhofsbestimmungen verleitet hätte.
Im Übrigen führen die frei gebliebenen Grabstellen zu erhöhten Kosten bei einer Wiederbelegung. Das Friedhofsamt muss das gleichgroße Areal in Schuss halten, bei weniger Einnahmen. Parallel dazu gibt es einen starken Trend hin zu Urnengräbern. Der Anteil an Einäscherungen liegt in den neuen Bundesländern bei 90% – sehr zum Kummer der Bestattungsbranche, die auch gern „überleben“ würde.
Es liegt also an den Kosten, (obwohl für eine Urnenbestattung trotzdem noch für das Krematorium ein Sarg Pflicht ist), aber auch daran, dass die religiösen Aspekte abnehmen. Die Beratungen von einigen wenigen Bestattern, bspw. „Nehmen Sie Eiche, der hält länger“ werfen Fragen auf.( Haben wir elbst in der Familie erlebt.)
Apropos Kosten – mit der Beerdigung, der Wahl und Größe der Grabstätte ist es nicht getan. Ein Grab muss gepflegt werden. Dieser ganze wirtschaftliche Aufwand hat die ursprünglich religiöse Bedeutung – Frieden ihrer Asche – überrollt.
Das Glück, dass Familien über mehrere Generationen alle im gleichen Ort wohnen, ist leider selten geworden. Erwachsene Kinder richten ihr Leben an dem Ort ein, an dem sie studierten, oder eine Ausbildung machten, eine Arbeit fanden und eine Familie gründeten, oft viele hundert Kilometer entfernt, manchmal aber auch über Ländergrenzen hinweg.
Natürlich gibt es Friedhofsgärtnereien, die die Gräber wunderbar pflegen, der berechtigte wirtschaftliche Aufwand liegt pro Jahr um die 180-300 Euro, doch auch das muss man sich leisten können.